Bibliotherapie und Poesietherapie
Die „Integrative Poesietherapie und Bibliotherapie“ ist eine Methode, die durch das Medium künstlerisch-gestaltender Sprache Prozesse seelischer Integration und persönlichen Wachstums in Gang setzt und unterstützt. Deshalb kann sie zur Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, zur Bewältigung von Lebenskrisen sowie zur vertieften Selbsterfahrung und Entwicklung der Persönlichkeit eingesetzt werden. Die Heilkraft der Sprache kann in der Einzel- oder Gruppentherapie genutzt werden.
Die Poesie- und Bibliotherapie zwischen Heilbehandlung, Animation und literarischer Werkstattarbeit dient der Bestimmung der eigenen Kompetenzen und Grenzen. Sie baut auf dem Hintergrund der Integrativen Therapie (kreative Methoden aus Bewegung, Malen, Musik, Schreiben etc., mit denen an bestimmten Themen / Leiden aus dem Alltag lösungsorientiert gearbeitet wird) auf.
Jeder von mir geschaffene Text, ob Gedicht, Erzählung, ein Stück mit verteilten Rollen oder Märchen, ist eine Botschaft von mir, über mich, für mich und an andere. Sie können die vielfältigen Möglichkeiten der Sprache der Poesie, sich als Person auszudrücken und anderen mitzuteilen, kennenlernen.
Das Leben als Text
Glückliche und kritische Lebensereignisse, ja der gesamte Lebensablauf, können als Text, als Script, als Narration verstanden werden, die in vielfältigen Formen Ausdruck finden. Sprüche, Texte, Reden begleiten bedeutsame Szenen unseres Lebens, Bücher geben uns Impulse und Richtung. Anhand von Lebensläufen, Tagebuchpassagen, Liebes- und Abschiedsbriefen, Gedichten und Lektüren aus unserer Jugend, ersten Leseerlebnissen können wir Kontinuitäten und Diskontinuitäten unseres eigenen Lebens erkunden. Eigene Texte und literarische Vorbilder können das Lebensscript aktiv mit- und umgestalten.
Texte sind Handlungen, Sprache ist Aktion. Dies wird im Schreiben von Märchen und
Geschichten und ihrer Umsetzung in psychodramatisches Spiel aus der "inneren Resonanz" deutlich. Die Wahl und Ausgestaltung von Rollen und Szenen ermöglicht die Aneignung abgespaltener Anteile der Persönlichkeit und neue Handlungsentwürfe. Die projektiven Elemente und Symbole in Text und dramatischer Handlung entschlüsseln ihren unbewußten Gehalt und können für die Verarbeitung verdrängter Konflikte und für die Freisetzung kreativer Potentiale fruchtbar gemacht werden.
Poetische Formen und ihre Wirkung
In der Kunst sind Inhalt und Form verschränkt. Beides wirkt. Im Gestalten von literarischen
Formen, in der Arbeit an der Form – Stilformen, Strophenformen, an einem Sonett, einem Heiku – vermag sich die Person auszudrücken und an Formen ihres Lebens zu arbeiten. Im kreativen Umgang mit Sprache (ein Vorgang, der unbewußt täglich stattfindet) lassen sich eigene biographische und persönliche Zusammenhänge neu erkennen und re-aktiv re-formieren.
Meine Stimme – mein Medium
Die Stimme ist in der zwischenmenschlichen Kommunikation ein wichtiges Medium und natürlich auch in der Poesie- und Bibliotherapie von hervorragender Bedeutung. Durch die Stimme werden wir beim Vorlesen, Vortragen, Erzählen mit unserer Person sichtbar, vermitteln wir uns dem anderen und lösen Resonanzen aus. Wahrnehmungen und Ausdruck der Stimme sowie ihre Grenzen und Möglichkeiten werden erfahrbar. Intonations- und Resonanzphänomene im Kontext von Übertragung und Gegenübertragung und Auseinandersetzung mit der eigenen „Stimmbiographie“ sind weitere Aspekte.
Texte, Lieder, Songs
Worte, Texte, Dichtung können in einem vielfältigen und facettenreichen Zusammenhang zur
Musik stehen: Zaubersprüche und Gebete, Liturgien, weltliche und geistliche Chormusik, das
romantische Kunstlied, Volkslieder, Küchenlieder und Bänkelgesänge, Kinderlieder, Marsch- und Kampflieder, Nationalhymnen, Studenten- und Sauflieder, Kirchenlieder, die gesamte
Schlagerwelt usw. stellen nur einen kleinen Ausschnitt dieses medialen Zusammenwirkens dar.
Diese Medien wirken in ihrer Vernetzung in jedem Lebens-, also auch dem Therapiebereich auf uns. Sie können in die Poesietherapie miteinbezogen werden.
Leib – Sprache – Bewegung
Sprache ist Bewegung, ein Strom vokaler Gesten. Sprechmotorik formt Worte, Worte schaffen leibliche Resonanz, die in Mimik und Gestik Ausdruck findet und wiederum in Sprache, Metaphern, Bildern fassbar wird. Sprache verbindet Leib und Kontext, Innenwelt und Außenwelt. Der sprechende Leib eröffnet den Zugang zur Poesie der Welt.